Komm´ klar in der „Alkohölle“
Mitarbeit in Alkoholpräventionsprogrammen
des Kinder- und Jugendschutzes der Stadt Herten
für Jugendliche an weiterführenden Schulen
Wir waren alle in der Alkoholhölle, vielleicht auch nur im Fegefeuer. Wir möchten nie wieder dorthin und Betroffenen helfen, der Hölle zu entkommen, und wir wünschen keinem, dass er das erlebt, was wir in unserer „Suchtkarriere“ durchgemacht haben. Damit Wünsche in Erfüllung gehen, muss man etwas tun. So war es für einige Mitglieder unserer Selbsthilfegruppe und anderer Blaukreuz-Gruppen in der Herten eine willkommene Aufgabe, als bei den Gruppen angefragt wurde, ob Gruppenmitglieder bereit wären, im Rahmen eines Theaterprojekts des städtischen Kinder- und Jugendschutzes an Hertener Schulen mit in die einzelnen Schulklassen zu gehen. Dort sollten wir aus Sicht der Betroffenen berichten und mit den Schülern zu diskutieren.
Auf was hatten wir uns eingelassen? Was würde uns erwarten? Konnten wir das überhaupt? Wie sollten wir uns in den Schülern gegenüber zeigen? Was wurde von uns erwartetet? Wir hatten alle „Bauchgrimmen“, Zweifel, Vorbehalte, Ängste, aber vor allem Mut, uns auf die neue Aufgabe einzulassen. Das war vor mehr als zwei Jahren.
Es begann mit der „Alkohölle“, einem Theaterstück von Beate Albrecht über Alkoholmissbrauch und seine Folgen. Beate Albrecht hatte das Stück für Jugendliche ab 13 Jahren in Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen und Drogenberatungsstellen erarbeitet: Eine 19-Jährige macht in der Werbeagentur ihrer Tante ein Praktikum und nimmt den Auftrag einer Spirituosenfirma an, einen neuen Alkopop zu bewerben; diese lehnt den Auftrag ab, da die Agentur keinen Alkohol bewerben will. Es entsteht ein Streit, in deren Verlauf die Praktikantin eine weitere Geschichte erfährt, die alles andere als lustig ist und sie zutiefst berührt.
Die Gruppe „Theaterspiel“ aus Witten wurde vom Kinder- und Jugendschutz der Stadt Herten eingeladen und führte das Vier-Personen-Stück an verschiedenen Hertener Schulen auf; die Autorin, in der Rolle der Chefin der Werbeagentur, und ein trockener Alkoholiker als Vater, der bei einer Trunkenheitsfahrt tödlich verunglückt. Das Stück reißt die Schüler mit, spontane Reaktionen, bedrückende Stille und am Schluss nachdenkliches Schweigen – erst mit einiger Verzögerung verdienter Applaus. Ich habe das Stück mehrfach gesehen, auch bei der achten Vorstellung wurde mir heiß und kalt, das vielschichtige Stück geht wirklich unter die Haut.
Wie sehr die Jugendlichen ge- und betroffen waren, zeigte sich in den an das Theaterstück anschließenden Diskussionen im Klassenverband mit den Schauspielern, Mitgliedern der Blaukreuzgruppen und den Mitarbeitern der Fachstelle Sucht Herten des Diakonischen Werkes und der Drogenberatungsstelle des Kreises Recklinghausen.
Eine Analyse der ersten drei Theaterveranstaltungen ergab, dass das Theaterstück mit anschließender Diskussion ein guter Methode ist, die Jugendlichen für die Alkoholproblematik zu sensibilisieren. Daraus entstand die Idee ein Projekt zum Thema Alkoholprävention, speziell für die Jahrgänge 8. bis 10., zu entwickeln Die Beauftragte für Kinder- und Jugendschutz der Stadt Herten, Sylvia Steffan, konzipierte in Zusammenarbeit mit der Fachstelle „Sucht Herten“ des Diakonischen Werkes im Kirchenkreis Recklinghausen, den Mitglieder/innen der Blaukreuzgruppen, der Fachstelle Sucht-vorbeugung der DROB Recklinghausen, einen Präventionsparcours zum Thema „Alkohol“, der nach einer Probephase in 2009 und Überarbeitung seit 2010 den Jahrgängen 8. bis 10. der weiterführenden Schulen unter dem Motto „Komm´ klar“ angeboten wird.
Die etwa dreistündige Veranstaltung wird außerhalb der jeweiligen Schule für einzelne Klassen im Kaplan-Prassek-Heim, einer katholischen Kinder- und Jugend-einrichtung in Herten-Mitte durchgeführt. Nach der Vorstellung der Beteiligten ,den Inhalten des Parcours und Kurzfilmen durchwandern sich die Schüler/innen in Kleingruppen einen Parcours mit drei Stationen: Beim Aktions- und Spielfeld „Wahrheit oder Pflicht“ beantworten sie Fragen, lösen Aufgaben und bekommen Informationen zum Thema Alkohol und Sucht; im „Rauschparcours“ durchlaufen sie mit Anleitung und „Rauschbrille“ einen Parcours mit unterschiedlichen Aufgaben, berichten über die gemachten Eindrücke und eigene Alkoholerfahrungen; bei der Station „Hugo- der Suchtmensch“ geht es um Suchtentstehung und Umgang mit Alkohol. Zum Ende der Abschlussrunde im Klassenverband werden alkoholfreie Cocktails und kleine Snacks angeboten und wird gezielt Informationsmaterial ausgeteilt.
Mit den Veranstaltungen „Alkohölle“ und „Komm´ klar“ konnte der Kinder- und Jugendschutz der Stadt Herten 2010 32 Prozent der 14- bis 17jährigen erreichen,
eine beeindruckende Zahl. Die positiven Rückmeldungen aus den Schulen und die im Umgang mit den Jugendlichen gemachten Erfahrungen haben alle Beteiligten ermutigt, die Projekte weiterzuführen, Inhalte anzupassen und weiter aktiv mitzuarbeiten und uns selbst weiterzubilden.
Erfolge sind schwer messbar, aber erfahrbar. Erfahrbar in den vielen einzelnen Gesprächen mit den Jugendlichen und erfahrbar insbesondere an uns Mitgliedern der Blaukreuzgruppen selbst. Unsere Zweifel, Vorbehalte und Ängste haben sich als unbegründet erwiesen. Das Bauchgrimmen ist weg, wir gehen heute mit Zutrauen und Freude zu den vorbereitenden Treffen und einzelnen Veranstaltungen; wir sind sicherer und offener geworden. Wir haben gelernt, den Jugendlichen zuzuhören, und erfahren, dass diese uns zuhören. Unser Selbstwertgefühl ist gewachsen, wir sind stärker geworden. Wollten wir das nicht auch bei den Jugendlichen erreichen?
Die ständigen Kontakte zur Stadt Herten, der Fachstelle „Sucht Herten“ des Diak. Werkes und der DROB Recklinghausen haben zu vielen Aktivitäten innerhalb unserer Selbsthilfegruppe geführt und werden zu weiteren Aktionen führen, z.B. zum Thema Mediensucht. Unsere Mitarbeit ist also keine Einbahnstraße. Wir sehen sie als Gewinn für alle Beteiligten.
Suchthilfe Westerholt e.V.
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